Parlamentarischer Rat

Parlamentarischer Rat
I
Parlamentarischer Rat,
 
von den elf Landtagen in den drei westliche Besatzungszonen Deutschlands gewählte Versammlung, die am 1. 9. 1948 in Bonn zusammentrat und die auf der Grundlage der Frankfurter Dokumente der Westalliierten (1. 7. 1948 und des von Sachverständigen (Verfassungskonvent von Herrenchiemsee, 10.-23. 8. 1948) vorgelegten Entwurfs das GG für die Bundesrepublik Deutschland ausgearbeitet hat. Der Parlamentarische Rat bestand aus 65 voll stimmberechtigten Mitgliedern (CDU/CSU und SPD je 27, FDP fünf, Deutsche Partei, KPD und Zentrum je zwei; fünf Berliner Vertreter mit beratender Stimme). Präsident war K. Adenauer, Vorsitzender des Hauptausschusses C. Schmid. Die Arbeit erfolgte in Verbindung und Auseinandersetzung mit den Militärgouverneuren. Am 8. 5. 1949 verabschiedete der Parlamentarische Rat bei 12 Gegenstimmen das GG, das anschließend der Zustimmung der Volksvertretungen in den Ländern und der Genehmigung der drei westlichen Militärgouverneure bedurfte. Die letzte Sitzung des Plenums des Parlamentarischen Rates diente der Annahme und Verkündung des GG (23. 5. 1949.
 
 
Der P. R., hg. v. K. G. Wernicke u. a., auf mehrere Bde. ber. (1975 ff.);
 E. Straetling: Der p. R. 1948-1949 (1989);
 
Das Grundgesetz. Dokumentation seiner Entstehung, hg. v. H.-P. Schneider, auf 30 Bde. ber. (1995 ff.).
II
Parlamentarischer Rat
 
Im Zuge des kalten Kriegs zwischen Ost und West nahmen die Überlegungen der Amerikaner und Briten zur Errichtung eines westdeutschen Teilstaates zunehmend konkrete Gestalt an. Die bis dahin bestehenden Widerstände Frankreichs konnten auf der Londoner Sechsmächtekonferenz abgebaut werden, an der vom 23. Februar bis 5. März und vom 20. April bis 1. Juni 1948 die drei westlichen Besatzungsmächte sowie die Niederlande, Belgien und Luxemburg als unmittelbare westliche Nachbarn Deutschlands teilnahmen. Die Londoner Empfehlungen bildeten die Grundlage für die »Frankfurter Dokumente«, die die Militärgouverneure den Ministerpräsidenten der westdeutschen Länder am 1. Juli 1948 übergaben. Die Ministerpräsidenten wurden darin aufgefordert, eine Verfassunggebende Nationalversammlung einzuberufen, die spätestens am 1. September 1948 zusammentreten sollte. Weiterhin wurde ein Besatzungsstatut angekündigt, das die Beziehungen zwischen einer künftigen deutschen Regierung und den Besatzungsmächten regeln sollte. Die Ministerpräsidenten, die vom 8. bis 10. Juli im Hotel »Rittersturz« in Koblenz tagten, hoben bei ihrer Stellungnahme zu den »Frankfurter Dokumenten« hervor, dass vermieden werden müsse, »die Spaltung zwischen West und Ost zu vertiefen«. Sie wehrten sich gegen den Staatscharakter des zu errichtenden Gebildes und plädierten für ein Provisorium, das einen gemeinsamen organisatorischen Rahmen für den Bereich der Westzonen bilden sollte. Dementsprechend verwarfen sie den Begriff »Verfassung« und schlugen statt dessen ein »Grundgesetz« vor - der Hamburger Bürgermeister Max Brauer hatte diesen Begriff in die Debatte eingeführt. Auch eine Volksabstimmung über den Verfassungsentwurf lehnten sie ab; die Länderparlamente sollten das Grundgesetz ratifizieren. In den beiden letztgenannten Punkten konnten sich die deutschen Länderregierungschefs durchsetzen; sie erreichten auch, dass das Grundgesetz nicht von einer vom Volk gewählten Nationalversammlung, sondern von einem Parlamentarischen Rat erarbeitet wurde, dessen 65 Mitglieder von den Länderparlamenten bestimmt wurden. Ihre grundsätzlichen Bedenken gegenüber einer westdeutschen Teilstaatsbildung schoben die Ministerpräsidenten jedoch beiseite, nachdem der US-Militärgouverneur Lucius D. Clay mit Konsequenzen für das eingeschlossene Berlin gedroht und der Berliner Oberbürgermeister Ernst Reuter darauf hingewiesen hatte, dass die befürchtete Spaltung Deutschlands bereits Wirklichkeit geworden sei.
 
Ein von den Ministerpräsidenten berufener Verfassungskonvent erarbeitete in Herrenchiemsee vom 10. bis 23. August einen Verfassungsentwurf, und am 1. September 1948 trat in Bonn der Parlamentarische Rat zusammen. Ihm gehörten je 27 Abgeordnete der CDU/ CSU und der SPD an, 5 der FDP, je 2 der KPD, der DP und des Zentrums. Hinzu kamen 5 Abgeordnete aus Berlin, die lediglich beratendes Stimmrecht besaßen. Zum Präsidenten des Parlamentarischen Rates wurde Konrad Adenauer gewählt, den Vorsitz des Hauptausschusses übernahm Carlo Schmid (SPD).
 
Nach langen, oft kontrovers geführten Debatten, vor allem über die Vorschläge der Militärgouverneure und über die Finanz- und Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern, wurde das Grundgesetz am 8. Mai 1949 mit 53 gegen 12 Stimmen angenommen. Dagegen stimmten die Abgeordneten der KPD, der DP und des Zentrums sowie sechs der acht CSU-Abgeordneten. Mit Ausnahme Bayerns, dem die neue Staatsordnung zu zentralistisch angelegt war, stimmten die Landtage aller westdeutschen Länder dem Grundgesetz zu. Die drei Militärgouverneure genehmigten das Grundgesetz am 12. Mai, am 23. Mai 1949 wurde es verkündet und trat am folgenden Tag in Kraft.

Universal-Lexikon. 2012.

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